Mit dem Rad kam die Freiheit
Das Fahrrad hat in den 1920er Jahren mehr als alles andere dazu beigetragen, dass die Emanzipation der Frauen an Fahrt gewonnen hat.
Der Urtyp des Fahrrades wurde vor ca. 200 Jahren erfunden, zunächst als Laufmaschine oder “Draisine” (Erfinder: Karl von Drais), bis in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre die Tretkurbel konstruiert wurde. Da Gangschaltung noch kein Thema war, vergrößerte man zum schnelleren Vorwärtskommen das Vorderrad; das Hinterrad war nur dazu da, um Balance zu halten.
Das sog. Hochrad entstand. Damit fahren war allerdings nur eine Betätigung für „Wagemutige“.
Ab 1885 Jahre löste das Niederrad das Hochrad ab. Fahrradfahren wurde bequemer und ungefährlicher. Dadurch, dass in Fabriken eine immer größer werdende Stückzahl hergestellt wurde, gewann das Radfahren an Popularität.
War das neue Fortbewegungsmittel anfangs nur für die gehobene Gesellschaft erschwinglich, konnte sich nun auch die (männliche) Arbeitnehmerschaft ein Fahrrad leisten.
Für Frauen war es weiterhin ein gesellschaftlicher Kampf, sich in die Pedale zu schwingen.
Wie es in einem Pressebericht in der Frankfurter Rundschau heißt, galten radelnde Frauen, vor allem, wenn sie Hosen trugen, als widernatürlich und anstößig.
Beliebte Vorurteile damals waren, dass körperliche Anstrengung nicht zur weiblichen Natur passe, Fahrradfahren der Selbstbefriedigung diene und unfruchtbar mache.
Immer mehr Frauen ergriffen die Change auf mehr Unabhängigkeit und nutzten das Fahrrad.
Die herkömmliche Frauenbekleidung zu dieser Zeit –lange Röcke- schränkte die Bewegungsfreiheit extrem ein. Mit Pumphosen waren die Frauen beweglicher. Auch wurden Kleider und Röcke kürzer geschneidert und das Korsett nach und nach abgelegt.
Bis zu diesem Zeitpunkt durften sie das Haus kaum ohne Begleitung verlassen. Sie waren auf den Kreis der Familie und die Verpflichtungen an Haus und Hof beschränkt.
Daher war Radfahren eine neue Freiheit und einer Revolution gleich zu setzen.
Kurz vor der Jahrhundertwende wurden in Berlin bereits die ersten Damenradrennen ausgerichtet.
Das führte dazu dass immer mehr Frauen ermutigt wurden, auf das Fahrrad umzusteigen, das Selbstbewusstsein wuchs.
Man kann also sagen, dass das Fahrrad nicht nur allgemein zu einer Modernisierung und Demokratisierung der Gesellschaft beigetragen hat, sondern direkt der Antriebsmotor für die Emanzipation der Frau war und ist.
So schrieb die amerikanische Frauenrechtlerin Susan B. Anthony Ende des 19ten Jahrhunderts:
„Ich denke, das Fahrrad hat mehr dazu beigetragen, Frauen zu emanzipieren, als irgendetwas auf der Welt. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich eine Frau auf einem Fahrrad vorbeifahren sehe. Es gibt ihr ein Gefühl der Selbständigkeit und Unabhängigkeit in dem Moment, in dem sie es tut.“
Auch heute ist es leider noch nicht überall selbstverständlich, dass Frauen Fahrrad fahren dürfen. In Ländern, wie Iran, Afghanistan oder Saudi Arabien ist es entweder ganz verboten oder nur unter strengen Auflagen erlaubt.
Aber auch in der westlichen Welt ist man noch nicht frei von Geschlechterkämpfen.
Während die Männervariante der Tour de France vor einiger Zeit den 120sten Geburtstag gefeiert hat, gibt es die offizielle Variante der „Tour de France Femmes“ erst wieder seit 2022. Auch bei den Profigehältern gibt es eklatante Unterschiede.
Radsportlerin Lena Zwanzleitner berichtet beispielhaft in der Zeitschrift Spiegel, dass insbesondere ältere Männer sich ungern von Frauen überholen ließen.
„Die geben lieber Gas und brechen dann komatös zusammen“.
Ein Beitrag von Susanne Molis-Klippert
Quellen:
Laud, Anja: Frankfurter Rundschau, Frankfurt: Mit den Rad kam die Freiheit, 08.01.2025
Liv: Die Geschichte des Fahrradfahrens aus weiblicher Sicht – Emanzipation per pedales, 23.03.2023
Frommeier, Lena: Spiegel, Als Frauen in die Freiheit fuhren, 06.01.2020